Wie man die soziale und soziokulturelle Arbeit im Jahr 2025 vorantreiben kann

Soziale Arbeit ist ein breites Feld professioneller Unterstützung und Intervention bei sozialen Problemen. Die soziokulturelle Arbeit ist eine spezifische Form der Sozialen Arbeit, bei der Kultur, Bildung und soziale Aktivitäten miteinander verbunden werden, um Teilhabe zu fördern und soziale Netzwerke zu stärken.

Während sich die Soziale Arbeit auf individuelle und familiäre Hilfe konzentriert, liegt der Fokus der soziokulturellen Arbeit auf gemeinschaftlichen Prozessen und Begegnungsräumen. Dies geschieht oft durch partizipative Projekte und kulturelle Angebote in Stadtvierteln.

Soziale Arbeit:

  • Ziel: Menschen in schwierigen sozialen Situationen dabei unterstützen, sich selbst zu helfen und Krisen zu überwinden.
  • Tätigkeitsbereiche: Die Sozialarbeit umfasst sehr unterschiedliche Bereiche, darunter Jugendhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung, Hilfe für Obdachlose, Strafvollzug, Familienberatung und berufliche Integration.
  • Methoden: Individuelle Fallbearbeitung, Beratung, Unterstützung bei der Ausarbeitung von Hilfsplänen, Vermittlung von Ressourcen und Koordination mit anderen Institutionen.

Soziokulturelle Arbeit:

  • Ziel: Die soziale Teilhabe soll gefördert und das Zusammenleben gestärkt werden. Durch die Verbindung von Kultur, Bildung und Sozialarbeit sollen zudem Begegnungsräume geschaffen werden.
  • Tätigkeitsbereiche: Offene Kinder- und Jugendarbeit, Nachbarschaftszentren, Seniorenarbeit, Kulturprojekte, Migration und Gemeindeentwicklung.
  • Methoden: Partizipative Projektarbeit, Aufbau sozialer Netzwerke, Einsatz künstlerischer Ausdrucksformen, Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen und Konfliktlösung.

Was uns verbindet?

Es gibt vieles, was uns Menschen miteinander verbindet. Wir alle sind denselben Naturgesetzen ausgesetzt, wir alle atmen dieselbe Luft. Unser hochkomplexer Organismus funktioniert bei allen weitgehend gleich und sichert Tag für Tag unser Überleben. Wir alle streben nach Glück und möchten Leid vermeiden. Wir haben vergleichbare Grundbedürfnisse und die zutiefst menschliche Fähigkeit zur Empathie.

Diese Gemeinsamkeiten sind seit Jahrhunderten in Philosophie, Religion und Aufklärung festgehalten – von der „Goldenen Regel“ bis hin zur Erklärung der Menschenrechte. Doch in den aktuellen gesellschaftlichen Diskursen scheint all das in den Hintergrund zu treten: Der Fokus liegt auf dem Trennenden. Politisch spiegelt sich das in Identitätspolitik, Populismus und zunehmend extremen Positionen wider. Wirtschaftlich zeigt sich eine Tendenz zu Protektionismus und Isolationismus. Soziologisch erleben wir eine fortschreitende Individualisierung, die bis hin zur Atomisierung reicht. Der Sozialwissenschaftler Husi (2019) warnt: Die Kohäsion unserer Gesellschaft ist fragil und droht zu zerfallen.

[IMAGE] Soziale und soziokulturelle Arbeit

Foto von Vitaly Gariev auf Unsplash

Befeuert werden diese Dynamiken durch soziale Medien. Algorithmen verstärken Echokammern und liefern uns fast ausschliesslich Inhalte, die unsere eigene Sichtweise bestätigen. So entsteht eine Gesellschaft, in der links wie rechts vor allem das Trennende betont wird.

Natürlich: Andere Menschen können anstrengend sein. Schon Sartre (1944) stöhnte „L’enfer, c’est les autres“. Doch Dürrenmatt (1962) erinnerte daran: „Was alle angeht, das können auch nur alle lösen.“ Und der Philosoph Walzer (1992) schlägt als Antwort auf die Komplexität menschlicher Existenz vor: „Uns einfach zu verbinden.“ Denn: Verbundenheit ist unsere Wurzel und unser Kern.

Menschen als „ultrasoziale Wesen“

Seit Anbeginn unserer Geschichte sind Menschen auf Gemeinschaft angewiesen. Über Jahrtausende lebten wir nomadisch in Gruppen. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft bedeutete fast immer den sicheren Tod. Einsamkeit ist daher mehr als ein unangenehmes Gefühl – sie weckt evolutionäre Urängste.

Auch heute ist Einsamkeit ein weit verbreitetes Phänomen. Der Philosoph Schnabel (2018) nennt uns Menschen „ultrasoziale Wesen“. Martela (2016) bestätigt: Unser größtes Sinnempfinden erfahren wir im Kontakt mit anderen – insbesondere, wenn wir ihnen helfen. Unterstützen wir andere, steigert das nicht nur ihr Wohlbefinden, sondern auch unser eigenes.

Doch was passiert, wenn Resonanz fehlt? Scheurle (2008) beschreibt, dass wir Menschen „mit der Welt mitschwingen“ müssen, um sie zu verstehen. Fehlt diese Resonanz, drohen innere Fremdheit, Depression und Burnout. In der Schweiz leiden über 500.000 Menschen an chronischer Einsamkeit (Uhle, 2020) – am schmerzhaften Gefühl, nicht gehört oder verstanden zu werden.

Hier setzen Soziale Arbeit (SA) und Soziokulturelle Animation (SKA) an: Sie schaffen Räume, in denen Begegnung, Übersetzung zwischen Sichtweisen und Vermittlung in Konflikten möglich werden. Sie fördern den Gemeinsinn – und wirken Einsamkeit entgegen.

Was hemmt Verbundenheit?

  1. Anonymität und Begegnungsarmut: Chronische Isolation erhöht das Risiko für psychische Erkrankungen (Cacioppo & Hawkley, 2003). In einer Gesellschaft, in der Integration oft als reine Eigenverantwortung gilt, entstehen Unsicherheit und Angst. Bauman (2000) zeigt, dass dies zu instabilen und flüchtigen Beziehungen führt, weil Menschen Bindungen eher meiden.
  2. Individualisierung und Verinselung: Beck (1986) beschreibt die Individualisierung als Gewinn an Freiheit – doch auch als Risiko. Sie schwächt traditionelle Strukturen wie Familien und Nachbarschaften. Putnam (2000) beobachtet in den USA einen massiven Rückgang gemeinschaftlicher Aktivitäten („Bowling Alone“). Menschen leben zunehmend auf individuellen „Inseln“, die sich kaum berühren. Das schwächt die soziale Kohäsion.
  3. Soziale Medien und Filterblasen: Hampton et al. (2011) zeigen: Soziale Medien steigern die Zahl flüchtiger Kontakte, während enge Bindungen abnehmen. Informationsblasen fördern Vorurteile, die Vertrauen und Zusammenarbeit behindern (Brewer, 1999).
  4. Mangel an Empathie und Stress: Empathie ist entscheidend für Verbundenheit (Karniol et al., 2003). Doch Stress, Angst und Depression belasten Beziehungen und untergraben Nähe (Kiecolt-Glaser et al., 2002).

Was fördert Verbundenheit in der sozialen und soziokulturellen Arbeit?

  1. Kommunikation: Albert Camus sagte: „Das Gespräch ist die einzige Brücke zwischen zwei Menschen.“ Kommunikation ermöglicht Resonanz, Überwindung von Einsamkeit und das Teilen von Geschichten. Watzlawick (1969) betonte: Wir können nicht nicht kommunizieren – jede Begegnung erzeugt Bezug und Resonanz.
  2. Kooperation: Kooperation schafft Vertrauen, Verantwortungsgefühl und Empathie. Walzer (1992) beschreibt die Zivilgesellschaft als Boden, auf dem das Gute entsteht – getragen von freiwilligen Vereinigungen, Vereinen, Nachbarschaften und Gemeinschaften. Identifikation und Aneignung von Räumen: Wenn Menschen Räume aktiv mitgestalten, entsteht Bindung. Deinet und Reutlinger (2004) zeigen: Aneignung fördert Verantwortungsgefühl, Identität und soziales Engagement. So werden Orte lebendig und stärken die soziale Kohäsion.
  3. Geteilte Werte: Die „Goldene Regel“ und Kants kategorischer Imperativ verdeutlichen: Geteilte Werte bilden den Kern des Zusammenlebens. Sie geben Sicherheit, Orientierung und Identität. Werden sie gelebt, entstehen starke Wertegemeinschaften.

Was können wir tun in der sozialen und soziokulturellen Arbeit?

  • Bei Gemeinsamkeiten ansetzen: Fakten überzeugen selten, Geschichten berühren. Gemeinsame Werte und Narrative sind Ausgangspunkte für Dialog und Brückenbau. Kommunikation, die Resonanz erzeugt, öffnet neue Sichtweisen.
  • Partizipativ gestalten: Die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom (1990) zeigte: Nachhaltige Lösungen entstehen, wenn alle Betroffenen beteiligt sind. Auch in der Soziokultur gilt: Partizipation fördert Identifikation, Aneignung und Gemeinsinn.
  • Verantwortung übernehmen: In herausfordernden Zeiten braucht es mehr Zusammenarbeit, nicht weniger. Es genügt nicht, Verantwortung abzuschieben – jede:r ist gefragt. Soziale Arbeit und SKA können Menschen verbinden und Impulse setzen.
  • Der Soziologe Schmid (2016) bringt es auf den Punkt: Wir brauchen „sorgende Ichs, die das Wir pflegen.“ Genau hier liegt unsere Aufgabe – beruflich wie persönlich.

Fazit

Verbundenheit ist keine Option, sondern die Grundlage menschlicher Existenz. Sie zu fördern ist Aufgabe von Gesellschaft, Politik, Wirtschaft – und besonders von SA und SKA. In einer Zeit, in der Trennung und Vereinzelung dominieren, sind es Brückenbauer:innen, die den Unterschied machen.

Die zentrale Frage lautet daher:

Wo können Sie in Ihrem Arbeits- und Lebensfeld Verbindungen stärken – und so zu einer resilienteren, menschlicheren Gesellschaft beitragen?

Literaturverzeichnis

  • Bauman, Z. (2000). Liquid modernity. Polity Press.
  • Beck, U. (1986). Risikogesellschaft: Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp.
  • Brewer, M. B. (1999). The psychology of prejudice: Ingroup love or outgroup hate? Journal of Social Issues, 55(3), 429–444.
  • Cacioppo, J. T., & Hawkley, L. C. (2003). Social isolation and health, with an emphasis on underlying mechanisms. Perspectives in Biology and Medicine, 46(3), S39–S52.
  • Camus, A. (1942). Le mythe de Sisyphe. Gallimard.
  • Deinet, U., & Reutlinger, C. (2004). Aneignung – ein sozialpädagogisches Konzept. In U. Deinet (Hrsg.), Sozialraumorientierte Jugendarbeit (S. 33–52). VS Verlag.
  • Dürrenmatt, F. (1962). Stoffe I–III. Diogenes.
  • Hampton, K., Goulet, L. S., Rainie, L., & Purcell, K. (2011). Social networking sites and our lives. Pew Research Center.
  • Husi, G. (2019). Gesellschaft im Wandel – Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Seismo.
  • Karniol, R., Grosz, E., & Schorr, I. (2003). Caring, gender role orientation, and volunteering. Sex Roles, 49(1–2), 11–19.
  • Kiecolt-Glaser, J. K., McGuire, L., Robles, T. F., & Glaser, R. (2002). Emotions, morbidity, and mortality: New perspectives from psychoneuroimmunology. Annual Review of Psychology, 53, 83–107.
  • Martela, F. (2016). Valuing lives: A philosophical inquiry into the nature of well-being. University of Helsinki.
  • Ostrom, E. (1990). Governing the commons: The evolution of institutions for collective action. Cambridge University Press.
  • Putnam, R. D. (2000). Bowling alone: The collapse and revival of American community. Simon & Schuster.
  • Sartre, J.-P. (1944). Huis clos. Gallimard.
  • Scheurle, C. (2008). Resonanz und Selbst. In H. Rosa (Hrsg.), Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung (S. 175–192). Suhrkamp.
  • Schmid, M. (2016). Soziale Arbeit und Zivilgesellschaft. Beltz Juventa.
  • Schnabel, U. (2018). Zu zweit ist man weniger allein: Über Freundschaft. Blessing.
  • Uhle, T. (2020). Einsamkeit in der Schweiz: Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung. Swiss Journal of Sociology, 46(2), 287–310.
  • Walzer, M. (1992). Thick and thin: Moral argument at home and abroad. University of Notre Dame Press.
  • Watzlawick, P., Beavin, J., & Jackson, D. (1969). Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Huber.

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